Donnerstag, 14. August 2014

Postpartale Depression...ein Tabuthema?

Die postpartale Depression - oftmals leider immer noch ein Tabuthema. 

Aber auf jeden Fall ein Thema das mich beschäftigt. Ein Thema auch, dass mich nicht mehr loslässt, seit ich nach der Geburt meiner ersten Tochter selber eine postpartale Depression hatte. Und wahrscheinlich auch ein Thema, dass mich ein Leben lang begleiten wird und mich ermahnt, aufmerksam zu bleiben, damit ich hoffentlich nie wieder in das gleiche Fahrwasser gerate. Aber auch ein Thema, dass nach der Krise eine grosse Chance in meinem Leben war. Eine Chance auch, Altlasten abzulegen, nach vorne zu schauen und aus diesem Wendepunkt in meinem Leben das Beste zu machen. 

Im Nachhinein gesehen ist mir klar, dass ich wohl prädestiniert war eine postpartale Depression zu entwickeln. Bevor ich schwanger wurde, hatte ich mehrere Operationen, Not-Operationen nach einem eigentlichen Routineeingriff. Das Vertrauen in meinem Körper war dadurch damals schon nachhaltig gestört. Wir hatten eine längere Kinderwunschzeit und ich hatte mehrere Aborte und eine Eileiterschwangerschaft. Mein Körper hat also wieder nicht ganz so "funktioniert", wie ich das von ihm erwartet hätte. Als es dann endlich wirklich geklappt hatte, verbrachte ich 9 Monate voller Angst, dass ich auch dieses Kind verliere. Ich entwickelte einen Haufen Beschwerden, die ich mir nicht selten auch nur einbildete. Die letzten Wochen musste ich zu Hause mehr oder weniger ruhig verbringen, weil mein Blutdruck sich immer wieder neue Höchstziele setzte. Eine Menge Zeit sich auf mögliche Fehlfunktionen zu konzentrieren. Die Geburt dann schlussendlich nicht das, was man sich wünschen würde. Eine Geburt, die mich noch lange beschäftigen sollte und die viel Aufarbeiten nötig machte. Dann nach der Geburt wurde unsere wunderbare Tochter auf die Neo verlegt, wir wurden erst nicht recht informiert was los war. Für mich wieder ein grauenvoller Moment, weil ich mich in den Gedanken reinsteigerte, dass nun wirklich das Schlimmste eintreffe. Alles ging aber natürlich gut. Dann die ersten Monate mit kaum Schlaf, mit der absoluten Überforderung mit einem Baby mit starken Bedürfnissen, keine Zeit mehr für mich, das Gefühl nur eine Rolle zu spielen, mich vollkommen und tatsächlich selbst zu verlieren. Gefangen zu sein. Das Gefühl auch, es selber schaffen zu müssen, weil ich habe dieses Kind ja unbedingt gewollt. Überwältigt aber doch vor Liebe und dem unbändigen Drang, dieses Wesen beschützen zu wollen. Total unglücklich an meinem neuen Wohnort. Entwurzelt. Verloren. 

Nach sieben Monate guter Miene zum bösen Spiel dann der Zusammenbruch. Die vier Wochen auf der Mutter-Kind-Station in Affoltern am Albis waren meine Rettung. Ich habe mich dann relativ schnell aufgerappelt, bin ein Stehauffrauchen. Kurze Zeit darauf dann schwanger mit der zweiten Tochter. Die Depression lauerte lange noch wie ein Schatten hinter mir. Mal näher, mal weiter weg. Ich schaffte es aber nach der zweiten Geburt nicht wieder zu erkranken. Denn sobald ich das Gefühl hatte, dass die Situation kippt, habe ich mir sofort Hilfe gesucht. Alle in meiner Umgebung waren informiert. Meine Familie, meine Freundinnen, meine liebe Hebamme (ohne die ich es nicht vielleicht nicht so gut geschaft hätte), mein Hausarzt, meine Frauenärztin, die Mütterberaterin. 

Manchmal erhält man dann auch Hilfe an einem Ort, wo man es nicht erwarten würde. Meine zweite Tochter war eine Frühgeburt und musste auch auf die Neo. Also wieder kein Wochenbett, Stress pur mit dem Pendeln hin und her. Es war ein harter Winter, der viele Schnee hat es nicht leichter gemacht. Dazu noch ein Noro-Virus der damals dafür sorgte, dass Geschwisterkinder nicht mehr auf die Neo durften. Also also noch eine Spur komplizierter. Das alles nach einem Kaiserschnitt, noch mit der Operationsnarbe kämpfend. Nachdem meine zweite Tochter dann endlich zu Hause war, hatte sie nach kurzer Zeit einen Infekt. Keine sehr schlimme Infektion, aber wir durften dann eine Woche im Spital bleiben, denn auch diese Ärzte waren informiert über meine Vorgeschichte und haben gemerkt, dass ich Erholung und Unterstützung brauchte. Und ich hatte Glück, ich war mit zwei Frauen im Zimmer, die in einer ähnlichen Familienkonstellation waren und aber total positiv und aufgestellt. Wir hatten so gute Gespräche in der Zeit. Ich konnte ich mich eine Woche verwöhnen lassen, nur da mit meiner Tochter am kuscheln, mit Essen, dass ich nicht selber kochen musste. Es war genau das was ich gebraucht habe und es hat mich aufgefangen. So konnte ich mein verpasstes Wochenbett aufholen. Etwas, dass ich ganz wichtig finde, wenn das Wochenbett nicht so war, wie man es sich vorstellt. Das man sich die Zeit und Unterstützung holt, das nachzuholen.

Kurz nach der Geburt meiner zweiten Tochter lass ich dann das erste Mal von Doulas und wie Schuppen fiel es mir von den Augen: genau das ist es, was ich gebraucht hätte. Jemanden bei dem ich meine ständigen Sorgen deponieren konnte, die mich im Alltag mit dem Baby unterstützt hätte. Jemand der einfach da war und mich auf den Boden geholt hätte, wenn sich meine Gedanken wieder im Kopf drehten. Und ich habe mich dann recht schnell dazu entschlossen, diese Ausbildung zu machen. Einfach, dass ich es anderen Frauen vielleicht etwas leichter machen kann. Sie in dem Prozess des Mutterwerdens unterstützen kann. Jemand der versteht, was in einem vorgehen kann. 

Dieser Aspekt ist natürlich nur ein Teil des Doula-Seins, natürlich begleite ich nicht nur Frauen mit schwierigen emotionalen Situationen. Die Bedürfnisse sind ja ganz unterschiedlich. Aber das was ich erlebt habe, macht es mir leicht, mich in die Situation von Frauen mit vielen Sorgen und Ängsten zu versetzen.

Heute ist die Depression ein Stück zurück. Ich freue mich wieder über all die schönen Dinge, die um mich herum passieren, ich habe mich selber wieder gefunden. Es sind die kleinen Sache, die mich nach wie vor glücklich und dankbar machen: bei schönen Wetter alleine und LAUT im Auto DIE Musik zu hören, die ICH mag. Als Beispiel.

Bei einer klugen Frau, habe ich einmal einen Spruch in einem Forumsbeitrag gelesen, den ich nie vergessen werde: Wer die Dunkelheit nicht kennt, der kann das Licht nicht sehen. Und ganz genauso ist es für mich. 

Im Moment lese ich unter anderem gerade das Buch "Wie kann ich dich halten, wenn ich selbst zerbreche" von Ulrike Schrimpf. Sie bringt es auf den Punkt. An ganz vielen Stellen erkenne ich mich wieder. Und ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der das Gefühl hat eine postpartale Depression zu haben oder der als Fachperson mit frischgebackenen Eltern arbeitet. Eltern deshalb, weil es sind durchaus nicht nur Mütter betroffen, auch Väter können einen postpartale Depression entwickeln. 

http://www.geburtsweg.ch/doula-l%C3%A4deli-shop/b%C3%BCcher-und-medien/postpartale-depression/

Seid aufmerksam, fragt nach, seid da.